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Buenos Aires, mi querido - Volunteering in Argentinien

Nach 13 Jahren Schulwahnsinn war für sie klar, dass ein Wechsel hermuss. Daher engagiert sich Gözde Pesman als Freiwillige acht Monate lang bei Puertas al arte in Buenos Aires.

Autor: Gözde Pesman

,,Che, boludo!”- diesen Ausdruck ( ungefähr: “Ey Alter”) hört man in Buenos Aires sehr oft. “boludo” heißt wörtlich übersetzt zwar Idiot, aber diese Anrede ist nicht beleidigend gemeint, vielmehr ist das hierzulande der freundschaftliche Umgang untereinander. Es ist auch nichts außergewöhnliches, dass der Argentinier im Gespräch wild gestikulierend den Konversationspartner häufig anfässt- etwas das auf einen Mitteleuropäer vielleicht eher befremdlich wirkt, aber es ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass die Argentinier sehr offen sind.

Ausländern gegenüber zeigen sie meist ein sehr großes Interesse und fragen woher man kommt, ob es einem hier gefällt und was man hier macht. Bei letzterer Frage schauen die meisten oft als wäre ich lebensmüde, wenn ich antworte. Ich arbeite im Kulturzentrum “Puertas al arte” mit Kindern und Jugendlichen aus La Cava zusammen. La Cava ist eine sogenannte Villa Miseria, ein Armenviertel -welche es ähnlich wie in Brasilien die Favelas- in Argentinien zu Hauf gibt. Die meisten Bewohner sind arbeitslos oder arbeiten für den Mindestlohn, von dem sie nicht leben können. Eine Infrastruktur- so etwas wie Straßen- gibt es in La Cava nicht. Stattdessen findet man Hütten vor, in denen Familien auf engem Raum zusammenleben. Nach 13 Jahren Schulwahnsinn war für mich klar, dass ein Wechsel hermuss. Daher engagiere ich mich als Freiwillige acht Monate lang bei Puertas al arte.

An meinem ersten Arbeitstag nahm ich versehentlich den falschen Bus und merkte nach einer Weile, dass der Bus nicht zum Bahnhof sondern durch La Cava fährt. Also stieg ich aus und lief den gesamten Weg zurück, durch das Viertel, wovor ich von Einheimischen mehrmals gewarnt wurde: ,, Natürlich kannst du in eine Villa reingehen- die Frage ist ob du auch wieder herauskommst.”, sagte meine Spanischlehrerin. Nun war es jedoch schon zu spät. Ich stand in La Cava und musste durch die Dunkelheit einen Weg zurück finden.
Und ich fand ihn, ohne dass etwas außergewöhnliches passierte. Ich wurde weder beraubt, noch geschlagen. Nicht einmal neugierige oder skeptische Blicke bekam ich zu spüren.

Mittlerweile bin ich seit drei Monaten in Buenos Aires und habe gemerkt, dass viele Ängste - vor allem rund um die Villas- vor allem von den argentinischen Medien geschürt werden, die relativ boulevardlastig sind. Meist wird übertrieben, oft auch erfunden und fast alle Menschen, die Angst vor den Villas haben, waren noch nie in einer solchen, glauben aber, was sie gehört oder gelesen haben. Zudem wird die Armut in Argentinien kriminalisiert. Vor einiger Zeit war das Wort “Imputabilidad” in aller Munde, die Zurechnungsfähigkeit bzw. Schuldfähigkeit. Das Alter der Schuldfähigkeit wollen einige Politiker senken, so daß auch 10-jährige, sobald sie eine Straftat begehen, ins Gefängnis können. Allerdings nicht in ein Jugendgefängnis, wie man es in Deutschland vorfindet, denn so etwas gibt es hier nicht. Die Kinder würden zusammen mit erwachsenen Strafauffälligen den Gefängnisaufenthalt bestreiten. Betroffen wären von dem Gesetz insbesondere die Bewohner der Villas, denn hier liegt die Jugendkriminalitätsrate besonders hoch- gleichzeitig liegt aber auch die Jugendarbeitslosigkeit über dem Landesdurchschnitt.

Trotz der gesellschaftlichen Probleme, verursacht durch die großen Unterschiede zwischen Arm und Reich, ist Buenos Aires eine faszinierende und lebenswerte Stadt. Besonders die Menschen, die jeden Fremden mit einer Herzenswärme empfangen, wie es in vielen Ländern eher unüblich ist- Anschluss zu finden ist nicht schwer. Außerdem helfen sie wo sie nur können, unabhängig davon, ob man eine Wohnung, eine Arbeitsstelle oder eine bestimmte Straße sucht. Sobald man sich in der U-Bahn über die Wohnungssuche unterhält, schaltet sich der Sitznachbar ein und sagt, dass er jemanden kennt, der behilflich sein könnte.
Egal was man gerade sucht, alleine ist man dabei nie. Wobei man gerade bei der Straßenfindung aufpassen sollte. Ein Argentinier würde nämlich niemals zugeben, es nicht zu wissen, statt dessen kann es vorkommen, dass man in die falsche Richtung geschickt wird, also besser: Mehrmals fragen! Dann kommt jeder Tourist am gewünschten Ort an.

Als solcher ist es sinnvoll sich ab und an aus den gentrifizierten Touristenbezirken (Palermo, Recoleta) herauszubewegen. Auf diese Weise lernt man die Kultur und das Leben hier besser kennen, denn Bezirke wie Villa Crespo oder Amargo sind weniger touristisch aber dafür authentischer. In Villa Crespo habe ich inzwischen mein Zuhause gefunden, in dem ich die folgenden fünf Monate verbringen werde. Vor allem aber habe ich hier sehr gute Freunde gefunden, die ich mittlerweile auch schon mit ,,Che, boludo!” anspreche.



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eingetragen am: Dienstag, 20.01.2009

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